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Venus Typus Medici Bild1

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Venus Typus Medici
Statue, lebensgroß
Inv.-Nr. F 433

Kopie nach der Florentiner Venus Medici, Johann A. Nahl d. Ä. (1710–1781) um 1763 bis 1780 zugeschrieben.

Weißer, feinkristalliner Marmor mit wenigen grauen Adern.

H mit Plinthe 173,5 cm
H Figur 167 cm



Zugang: Alter Bestand, seit 1779 im Museum Fridericianum, vermutlich zwischen 1913 und 1939 im Hof der Kunstakademie, seit 1979 in Schloss Wilhelmshöhe.


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Erhaltungszustand/Restaurierung: Ungebrochen bis auf Finger; r. Zeigefinger verloren. Oberfläche ringsum verwaschen, partiell fleckig und streifig durch temporäre Aufstellung im Freien. Restaurierung 1978/79: partiell gereinigt. 1986: gereinigt.

Beschreibung: Die nackte Göttin steht mit geschlossenen Beinen frontal und wendet den Kopf zur linken Seite. Bei leicht vorgebeugtem Oberkörper hält sie die linke Hand vor den Schoß und greift mit der rechten Hand an die linke Brust. Die Statue wird am linken Standbein von einem Delphin gestützt, dessen Schnabel auf der Plinthe flach aufliegt und dessen Schwanzspitze oben neben dem Oberschenkel seitlich absteht. Den Fuß des Spielbeins setzt die Göttin bei angehobener Ferse etwas zurück. Das Haar mit Mittelscheitel ist auf dem Oberkopf in eine flache Schleife und mithilfe eines Bandes im Nacken zu einem Knoten gebunden. Die Haarsträhnen ohne lange Nacken-Schulterlocken sind bewegt, locker und wie rasch frisiert gelegt. Die leicht vorgebeugte Haltung, die Gestik der Hände, die geschlossenen Beine und der seitlich gewendete Kopf sind im Wesentlichen als Schamgebärde zu deuten.

Die lebensgroße Marmorstatue kopiert in Kopf, Körper und Plinthenform die antike Replik Venus Medici in Florenz, die zu einer späthellenistischen Gruppe von Varianten des frühhellenistischen Typus Venus Capitolina gehört. Allerdings weicht die Statuenstütze von dem Florentiner Vorbild ab; denn ihr fehlen die zwei Eroten auf dem Delphin und der Tierkopf liegt tiefer.

Erstmals aufgelistet ist die Statue im Inventar 1795 der ›Modernen Galerie nach antiken Statuen‹ des Museum Fridericianum als moderne Marmorkopie der Venus Medici ohne Herkunftsangabe oder Kopistennamen. Über Herkunft, Entstehungszeit, Bildhauer und konkrete Modellvorlage sind bisher lediglich stilistische Argumente geäußert worden: »Die Figur wurde zu Recht J. A. Nahl d. Ä. zugeschrieben Die weiche, teigig verschliffene Modellierung des wie knochenlos erscheinenden Körpers entspricht der Figurenauffassung Nahls ebenso wie der rundlich-drollige Delphin seinen grotesken Tierdarstellungen« (Kalusok 1994, 40). Die Kopie könnte der Hofbildhauer im Zusammenhang mit der ihm 1763 übertragenen Ausstattung an Freiplastiken für die Kasseler Rennbahn und Orangerie-Anlagen oder in der Periode seiner Lehrtätigkeit als Professor für Bildhauerei seit 1767 bzw. Akademieprofessor seit 1777 geschaffen haben. In seiner Werkstatt und bei seiner akademischen Tätigkeit wurde er von seinem Sohn J. S. Nahl d. J. (1748–1813) in der Zeit 1765–1771 und dann seit 1776 intensiv unterstützt (Kalusok 1994, 19–22).

Als Vorlage kommen Abgüsse der Venus Medici in Betracht. An großplastischen Wiederholungen sind im 18. Jh. in Kassel bezeugt: Ein Bleiguss von 1746, der exakt die Florentiner Statuenstütze und den Schmuckreifen am linken Oberarm wiederholt; ein Bronzeguss ohne Stütze und ohne Armreif, von Nahl im Ensemble der sechs Nachgüsse von Florentiner Antiken im Auftrag des Landgrafen Wilhelm VIII. 1756 in Genua (Slg. Da Passano) erworben. Ob ein Gipsabguss ›Venere Medici di Firenze‹ unter den 1768 von B. Cavaceppi angebotenen Abgüssen später auch noch für die Abguss-Sammlung antiker Statuen gekauft wurde, ist nicht überliefert.

Die Übereinstimmung der Marmorkopie mit dem Bronzenachguss sowie ihre eigenständige Tierdarstellung anstelle der stützlosen Bronze sprechen dafür, dass letztere als Kopiervorlage diente. Auch thematisch lässt sich diese Statue dem nur noch nachrichtlich überlieferten umfangreichen Bestand an Nahlschen Wiederholungen antiker Skulpturen pauschal zuordnen. Sie stellt sich heutzutage als die letzte und wichtigste Kopie Kasseler Bildhauerkunst in der Tradition akademisch-klassizistischer Antikenrezeption dar.

Publiziert:
AK Kassel 1979, 88. ff. Nr. 310 Abb. (M. Heinz); M. Kalusok in: U. Schmidt (Hrsg.), Die Künstlerfamilie Nahl. Rokoko und Klassizismus in Kassel (1994) 7, 17 ff., 40 Nr. 3 o. Abb.


Literatur: Zu Johann August Nahl d. Ä. (1710–1781), Johann Samuel Nahl d. J. (1748–1813) und der Venus F 433: AK Kassel 1979, 88–89 (M. Heinz); M. Kalusok in: U. Schmidt (Hrsg.), Die Künstlerfamilie Nahl. Rokoko und Klassizismus in Kassel (1994) 7, 17-20, 40. – Zum Typus Aphrodite Capitolina / Venus Medici Florenz Uffizien 548: B. M. Felletti Maj, ArchCl 3, 1951, 33 ff.; Mansuelli 1961, Nr. 45 Abb.; D. M. Brinkerhoff, in: D. G. Mitten – J. G. Pedley – J. A. Scott (Hrsg.), Studies presented to George M. A. Hanfmann (1971) 9 ff.; Vierneisel-Schlörb 1979, 334 Anm. 70; W. Neumer-Pfau, Studien zur Ikonographie und gesellschaftlichen Funktion hellenistischer Aphroditestatuen (1982) 62 ff.; Landwehr 1993, Nr. 4; C. Havelock, The Aphrodite of Knidos and her Successors (1995) 74 ff.; Schröder 2004, Kat. 123 zu Figurenmotiv und Gestik, Venus Capitolina (Original) ca. 280–250 v. Chr., Venus Medici (Original) spätes 2. Jh. v. Chr.; AK Paris 2007, 146–148 Abb. 106–107 Venus Capitolina, 148–149 Abb. 109 Venus Medici (A. Pasquier). – Zu Kopftypen und Haartracht vgl. hier Kat.1.19 und 2.4. – Venus Medici Bleiguss von 1746 (Rottermond): heute Schloss Wilhelmshöhe, Weißensteinflügel. Amtlicher Führer (1974)19 f. Abb. 2 Bildnisgalerie. – Venus Medici Bronzeguss vor 1756: ehemals Antikensammlung Inv. N 6, zwischen den Weltkriegen an eine Berliner Privatsammlung veräußert, heute verschollen. R. Hallo, JdI 24, 1927, bes. 209–220 Abb. 9. 11; AK Kassel 1979, 266 f. (G. Schweikhart).

(PG)

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