Jüngling Kopf, lebensgroß Inv.-Nr. Sk 29
Neuzeitlich, spätes 17. bis Anfang 18. Jh.
Weißer, fein- bis mittelkristalliner Marmor.
H 28 cm
Zugang: Erworben 1750 für Landgraf Wilhelm VIII. auf der Auktion in Den Haag, Slg. Wassenaer-Obdam. |
Erhaltungszustand/Restaurierung: Unergänzt, fast intakt. Ober- und Hinterkopf bestoßen (auch überarbeitet ?). Vertikaler Riss in r. Kopfhälfte. Nacken mit Abarbeitungsspuren (Frisuränderung? Gewand entfernt?). Restaurierung 1912/13: (Bieber 1915). Restaurierung 1985: gereinigt.
Beschreibung: Der junge Mann wendet den Kopf zur rechten Seite. Unterhalb des Büstenansatzes befindet sich ein niedriger zylindrischer Einsetzzapfen. Bei der Kopfwendung treten am Hals die Sehnen hervor. Er trägt eine volle, kurze, Sichellockenfrisur, die von der Stirn bis zum Oberkopf und den Ohren reicht. Am Rand der niedrigen Stirn sprießen flache Haarbüschel empor, unterbrochen in der Mitte von einer fülligen Sichellocke. Das Kalottenhaar, soweit noch erkennbar, war flach und langlockig. Eine Einkerbung von Ohr zu Ohr oberhalb des anliegenden Nackenhaares könnte für eine Binde oder einen Kranz bestimmt sein. Die Augen unter markant geritzten Brauen haben flüchtig gebohrte Pupillen. Der schmale Mund scheint spaltbreit geöffnet.
M. Bieber hat an diesem Kopf eine vollständige moderne Überarbeitung des Gesichtes und Halses festgestellt und nur die Ohren und emporstehenden Stirnhaare für antik erklärt, die an Köpfe des 4. Jhs. v. Chr. in der Art der Florentiner Niobiden erinnern. Die homogene unpatinierte Oberfläche und die unantike Büsten-Zapfen-Form lassen jedoch den Kopf insgesamt als ein neuzeitliches Werk um 1700 erscheinen. Die Kopfform mit dem schmalen Gesichtsoval und die kurzlockige wuschelige Frisur mit kurzem Stirnhaarkranz ähneln den Athletenköpfen des 4. Jhs. v. Chr. bzw. deren hellenistisch-römischen Nachbildungen. Bis in das anliegende Nackenhaar unterhalb einer Einziehung von Ohr zu Ohr finden sich antike Vorbilder (s. Läufer-Ringer Rom). Die Ausführung der Frisur mit den teils stereotyp spiraligen oder flachen Sichellocken sowie nur skizzierter Haarangabe auf dem Ober- und Hinterkopf, die intakte Modellierung der Gesichtszüge und der gefühlvolle Ausdruck sprechen eher für eine antikisierende, einem noch unbestimmten Vorbild verpflichtete Neuschöpfung als für ein überarbeitetes antikes Werk.
Publiziert:
Wassenaer Auktion 1750, Nr. 280; Bieber 1915, Nr. 24.
Literatur: Boosen 1985/91, Nr. 37. – Zu den 1583 in Rom gefundenen Florentiner Niobiden: Mansuelli 1958, 101–121; H. Weber, JdI 75, 1960, 112–132; Bieber 1961, 74 Abb. 253–265; C. M. Havelock, Hellenistische Kunst (1971) Nr. 137. 138; LIMC VI (1992) 918 ff. Nr. 23 s. v. Niobidai (W. Geominy) Florentiner Niobiden. – Zu motivischen Vergleichen: AK Frankfurt 1990, 268 f. Antretender Diskobol Abb. 135. 139; Läufer-Ringer Abb. 149 a. b; Hermes Typus Andros-Farnese Abb. 152 a. b (A. Linfert). – Zu Cavaceppis Überarbeitungen/Nachbildungen von Athletenköpfen: AK Frankfurt 1990, 605 Kat. 128 Antretender Diskobol Abb. (A. Linfert); Th. Weiss, Von der Schönheit weissen Marmors. Zum 200. Todestag von Bartolomeo Cavaceppi (1999).
(PG)
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