Heilender Asklepios Weihrelief Inv.-Nr. Sk 44
Attisch, um 400 v. Chr.
Weißer, feinkristalliner Marmor, braun patiniert.
H 29 cm B 33 cm D 9 cm Relieftiefe bis 3 cm Fundort: Vermutlich Athen.
Zugang: 1688 von hessischen Truppen aus Griechenland für Landgraf Karl mitgebracht. |
Erhaltungszustand/Restaurierung: Unergänzt. Von dem querformatigen Relief fehlen die oben und l. abgebrochenen Teile. Oberfläche, r. Rand und Schmalseite vertikal stark verwittert, bestoßen und teilweise abgesplittert, besonders Kopf und Oberkörper des kleinen Kindes. RS grob gepickt und unten partiell angeschrägt (zum Einpassen?); Standfläche mit schwacher Anathyrose. Restaurierung 1912/13: (Bieber 1915). Im 2. Weltkrieg weitere kleine Abplatzungen. Restaurierung 1973/75: gereinigt, gefestigt, Aufhängung montiert.
Beschreibung: Vom rechten Rand tritt eine Personenreihe an Asklepios heran. Er sitzt locker mit übergeschlagenen Beinen auf einem hohen runden Sitz, über den eine Decke gebreitet ist, und wendet sich mit geneigtem Kopf und vorgestrecktem rechten Arm einem vor ihm liegenden Kranken zu, von dem nur der Hinterkopf auf einem Kissen erhalten ist. Alle Figuren erscheinen im linken Dreiviertelprofil. Der bärtige Gott überragt noch als Sitzender die stehenden Figuren beträchtlich. Asklepios ist mit einem Mantel bekleidet, der den Oberkörper freilässt, über die linke Schulter und um den Arm bis zum Ellenbogen gelegt ist und den Unterkörper mit Beinen bis zu den Fußknöcheln bedeckt. Die linke Hand fasst den Hüftbausch auf dem Oberschenkel und hält zugleich den Stab, der oben an der Schulter anliegt.
Der hinter Asklepios stehende Mann in gleicher Tracht hält mit der linken Hand den Mantel im Bereich des Hüftbausches, die rechte Hand im Gebetsgestus berührt fast den Stab des Asklepios, den Kopf hat er mit Blick zum Gott leicht erhoben. Dichtauf folgt ihm eine etwas kleinere, ebenfalls betende (?) Frau in Chiton und Mantel, den sie schleierartig über den Hinterkopf gezogen hat und mit der Linken im Gewand festhält. Zwischen dem Paar steht ein kleines Mädchen in ähnlicher Tracht. Den Schluss bildet die wiederum etwas kleinere langgewandete Trägerin eines Korbes, den sie mit der rechten Hand sichernd auf dem Kopf balanciert. Neben ihr steht ein junges Mädchen mit offenen Haaren, die rechte Hand wohl ebenso zum Gebet erhoben, die linke im Gewand verborgen. Zwischen Gesicht und rechtem Arm ist die Innenkante des Antenpfeilers zu sehen, vor dem die Korbträgerin mit dem Mädchen steht. Die drei Erwachsenen und zwei Kinder kommen wie eine Familie in Gebetshaltung um Heilung suchend zu Asklepios. Sie sind Adoranten, Patienten und zugleich vielleicht auch noch Stifter dieser Weihgabe, die sowohl Fürbitte wie auch Dank an den Heilgott ausdrückt. Auf dem linken verlorenen Teil waren vermutlich der auf einer Kline liegende Kranke, neben ihm Hygieia und eine Schlange dargestellt, wie zahlreiche Reliefs aus dem Asklepieion überliefern (Bieber 1915). Das übliche Bildschema zeigt, dass der im Heilschlaf liegende Kranke von Asklepios behandelt wird, indem die göttliche Schlange in der Obhut von Hygieia den Patienten an der zu heilenden Stelle ›leckt‹.
Die stilistischen und ikonographischen Parallelen aus Attika datieren das Relief an das Ende des 5. Jhs. v. Chr. (Holtzmann 1984). Die Votive bezeugen, dass der von Epidauros nach Piräus und Athen 420/419 v. Chr. eingeführte Heilkult rasch großen Zuspruch fand, weil die Athener Bevölkerung nach den großen Verlusten durch Krieg und Pest diese göttliche und medizinische Unterstützung des Apollonsohnes Asklepios und seiner Partnerin Hygieia durch heilkundige Priesterschaft suchte. Die Einführung in Athen haben laut Schriftquellen Sophokles und Telemachos entscheidend gefördert und für die Ausgestaltung des Heiligtums am Südabhang der Akropolis auch öffentliche Zustimmung und vielleicht gar staatliche Unterstützung erfahren (Beschi 1967/68, Goette – Hammerstaedt 2004). Die zügige und hohe Akzeptanz dieser Gottheit bekunden auch die Funde aus dem Athener Pankrates-Heiligtum (Vikela 1994).
Publiziert:
Bieber 1910, 2 ff. Abb. 1. Taf. 1, 2; Bieber 1915, Nr. 75 Taf. 33; LIMC II (1984) 875 Nr. 89 Taf. 642 s. v. Asklepios (B. Holtzmann); A. Krug, Heilkunst und Heilkult (1985) 151 Abb. 67.
Literatur: Zum Bildtypus: L. Beschi, ASAtene 47/48, 1969/70, 108 ff. – Zum vermuteten Fundort Asklepieion an der Akropolis Athen: s. hier Kat. 5.4.; L. Beschi, ASAtene 45/46, 1967/68, 381 ff. Gründung von Telemachos; E. Vikela, AM 112, 1997, 167 ff. bes. 176 ff. 215; Goette – Hammerstaedt 2004, 198 ff. Schriftquellen.
(PG)
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