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Claudius  Bild2

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Claudius
Büste, überlebensgroß
Inv.-Nr. Sk 116

Um 41 n. Chr.

Weißer, feinkörniger, kalkhaltiger Marmor

H 53,5 cm
Kopf 25,5 cm



Zugang: Erworben 1961 im Kunsthandel Ars Antiqua, Luzern


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Erhaltungszustand/Restaurierung: Gut erhalten. Geringer Ausbruch r. unten an Büstenrand und Innenstütze. Nase und Ohren bestoßen. Geringe oberflächliche Fehlstellen im Gesicht. Kleine porenartige Abplatzungen auf der Oberfläche. Riss über der l. Schläfe. Keine Ergänzungen. Dunkle Adern an Büste, Hals und l. Kopfhälfte. Restaurierung 1973/75: gereinigt, bis auf punktuelle ockerfarbene Sinterspuren, mit Standdübel gesockelt. 2001 gereinigt.

Beschreibung: Die Büste mit nacktem Brustausschnitt ist mit ihrer Innenstütze aus einem Stück gearbeitet. Ein Mantelbausch fällt über die linke Schulter. Der Kopf wendet sich mit einer leichten Neigung nach rechts. Das Gesicht wirkt über dem kräftigen Hals eher klein. Es läuft zu dem vorspringenden Kinn und von den Rändern zur Nase hin beinahe spitz zu. Auf der niedrigen Stirn zeigen sich leichte Buckel sowie eine tiefe Einsenkung über dem Nasensattel. Die vorgewölbten Brauenbögen fallen nach außen deutlich ab. In den äußeren Winkeln hängen die Orbitale schwer über den kleinen mandelförmigen Augen, die leicht schräg stehen und von bandartigen Lidern eingefasst sind. Die Nasolabialfalten senken sich sanft in die Oberfläche ein. Die Unterlippe des geschwungenen Mundes stülpt sich leicht vor. Die etwas nach unten gezogenen Mundwinkel sind eingetieft. Insgesamt zeigt der Kopf ein weiches Inkarnat und eine durch sanfte Hebungen und Senkungen reich bewegte Oberflächenmodellierung, die beinahe malerisch wirkt.

Das Haar ist im vorderen Bereich als dichte weiche Masse wiedergegeben. Vom Oberkopf her bildet es vier horizontal verlaufende, zur Stirn abfallende Wellen, die klar begrenzt sind. Sie bestehen aus dicken kommaförmigen Locken, die durch Kerben in die Haarmasse eingetieft und jeweils in einzelne Strähnen unterteilt sind. Ihre Spitzen fließen z. T. in die jeweils darunter liegende Haarwelle. Über der Stirn gliedert sich das Haar in sechs nach links gerichtete Locken, deren Spitzen z. T in die Stirnoberfläche einschneiden. Über dem linken Auge bildet das Haar eine schmale Zange, deren äußerer Arm unter den inneren greift. Auf zwei nach rechts laufende Locken folgt eine Gabel, die zum Schläfenhaar überleitet. Der Zange über dem linken Auge entspricht eine Gabel über dem rechten. Ihr folgen drei nach rechts gerichtete Locken, an die sich das Schläfenhaar anschließt. Vor den Ohren weisen einzelne Büschel nach vorne.

Am Hinterkopf verliert die Haarkappe deutlich an Volumen. Hinter den Ohren sind die Strähnen des Nackenhaares jeweils nach vorne gekämmt. Auf der rechten Seite schließen sich daran einzelne, horizontal laufende Lockenbüschel an, deren plastisches Niveau nach hinten abnimmt. Die nach vorne gerichteten Lockenspitzen hinter den Ohren laufen breit auf der Hautoberfläche aus. Sie wurden offenbar abgearbeitet. Das Nackenhaar wurde nachträglich gekürzt, denn sein unterer Rand bildet eine ungleichmäßige, gestufte Kante mit einer Ausbuchtung in ihrer linken Hälfte. Bohrspuren hinter dem rechten Ohr sprechen für eine nachträgliche Abarbeitung des kantigen Ohrmuschelrandes. Am Hinterkopf ist die Oberfläche in einem breiten, nach links verschobenen Streifen ungegliedert und nur mit dem Zahneisen bearbeitet. Dort wurde eine ältere Haargliederung entfernt. Der Nacken ist wie die Vorderseite der Büste und das Gesicht geglättet, Haar und Gewand sind rauer belassen.

Die Kasseler Büste wurde verschiedenen Angehörigen des iulisch-claudischen Kaiserhauses zugewiesen (Berger 1962, Balty 1966/67, Massner 1994). Mittlerweile gilt eine Identifizierung als Bildnis des Kaisers Claudius (geb. 10 v. Chr., reg. 41–54 n. Chr.) jedoch als gesichert (Poulsen 1962, Heintze 1968, Salzmann 1976, Fittschen 1977, Massner 1994, anders Johansen 1989). In ihrer Gesichtsform sowie der Gestaltung ihrer Stirn-, Augen- und Mundpartie stimmt sie mit der Claudius-Ikonographie überein.

Die Büste gehört einem Bildnistypus des Kaisers an, dessen Repliken sich aufgrund ihres Haarschemas und ihrer physiognomischen Merkmale zusammenschließen, ohne in allen Details übereinzustimmen (Massner 1982, 1994). Der Typus erscheint auf Münzen des Claudius, die in dessen erstem Regierungsjahr 41/42 n. Chr. geprägt wurden (Heintze 1968, Salzmann 1976, Massner 1994). In der Gliederung des Stirnhaares, vor allem aber in der verjüngten, idealisierenden Wiedergabe seiner Gesichtszüge weicht er von dem ›realistischeren‹ Haupttypus des Claudiusporträts ab. Letzterer zeigt den bei seinem Regierungsantritt immerhin schon 51-jährigen Kaiser mit deutlichen Alterszügen.

Der Typus Kassel knüpft dagegen an die klassizistische, auf den Kaiser Augustus zurückgehende Porträtkonzeption des alterslosen charismatischen Herrschers an. Ihr folgte auch Claudius’ Vorgänger und Neffe Caligula (reg. 37–41 n. Chr.) (Fittschen 1977). Im Schema der Stirnhaare zeigen sich zwar Anklänge an das Porträt von Claudius’ Onkel und Vorvorgänger Tiberius, das zu dessen Regierungsantritt 14 n. Chr. geschaffen wurde (Massner 1994), es fehlt jedoch die Haargabel in der Stirnmitte. In einer spiegelbildlichen Variante findet sich die Frisur noch bei weiteren Mitgliedern der iulisch-claudischen Familie, so bei einzelnen Caligulaporträts und einem Bildnis, das Claudius’ Bruder Germanicus oder seinen Cousin Drusus Minor zeigt (Fittschen 1977, Massner 1982, Johansen 1994). Die beiden letztgenannten waren bis zu ihrem frühen Tod Kandidaten für die Nachfolge des Tiberius.

In der Gesamtkonzeption des Typus Kassel spiegelt sich das Bemühen des Claudius, der nach der Ermordung Caligulas so unverhofft an die Macht gekommen war, seine Thronfolge dynastisch zu legitimieren. Daher versucht er, seine Zugehörigkeit zur iulisch-claudischen Herrscherfamilie zu betonen und an augusteische Traditionen anzuknüpfen. Die Propagierung eines jugendlich-idealisierenden Kaiserbildes erwies sich angesichts von Claudius’ Lebensalter aber wohl als nicht haltbar und traf wegen der vorausgegangenen Willkürherrschaft Caligulas auch nicht unbedingt auf positive Resonanz. Daher wurde der Typus Kassel, der nur in relativ wenigen Repliken erhalten ist, sehr bald nach Claudius’ Regierungsantritt durch den Haupttypus ersetzt (Salzmann 1976, Fittschen 1977, Massner 1994, Goette 1986).

Daraus ergibt sich ein Anhaltspunkt für die Datierung der Kasseler Büste um 41 n. Chr. Auch die sanft bewegte Modellierung der Oberfläche und die Wiedergabe des Haars sprechen für eine Entstehung in frühclaudischer Zeit. Die Vermutung, dass der Typus Kassel auf ein älteres Prinzenbildnis des Claudius zurückgreift (Salzmann 1976, Massner 1994), lässt sich bislang nicht bestätigen.

Die Abarbeitungsspuren im Haar sprechen dafür, dass die Kasseler Büste durch die Umgestaltung eines anderen Bildnisses entstanden ist. Das ursprünglich längere Nackenhaar mit den nach vorne gekämmten Strähnen legt die Vermutung nahe, dass es sich dabei um ein Porträt des Caligula handelte, der nach seiner Ermordung 41 n. Chr. der damnatio memoriae verfallen war (Goette 1986, Jucker 1981, vgl. hier Kat. 4.3). Bei der Umarbeitung mußten der Haaransatz herabgezogen und die Oberfläche des Gesichtes tiefergelegt werden, um die Züge des Claudius aus denen des Caligula zu gewinnen.

Die Büste war wohl vor einer Wand oder in einer Nische aufgestellt, so dass die Umarbeitungsspuren im Bereich der Rückseite für den Betrachter nicht sichtbar waren. Der nackte Brustausschnitt mit Mantelbausch rückt den Kaiser in die Nähe von Göttern und Heroen.

Publiziert:
Berger 1962, Nr. 6; E. Berger in: Kunst in Hessen und am Mittelrhein 1/2, 1961/62, 60; J. Ch. Balty, BMusBrux 38/39, 1966/67, 31 Abb. 13–15; Fittschen 1977, 50 f. Anm. 22; A.-K. Massner, Bildnisangleichung (1982) 126 ff. Taf. 35; ; A.-K. Massner, in: V. M. Strocka (Hrsg.), Die Regierungszeit des Kaisers Claudius (41–54 n. Chr.), Symposion Freiburg 1991 (1994) 159 ff. Abb. 3. 4.


Literatur: Zu den Bildnistypen des Claudius: V. Poulsen, Les Portraits Romains I (1962) Nr. 60; Heintze 1968, Nr. 24; D. Salzmann, AA 1976, 252 ff., 260 ff. Abb. 9. 10; Fittschen 1977, Nr. 17; Fittschen – Zanker 1985, Nr. 15–16; H. R. Goette, AA 1986, 724 ff. Nr. 9, 727 Anm. 48; F. Johansen, MeddelGlypt 45, 1989, 107 ff. – Zum Stil: K. Vierneisel – P. Zanker (Hrsg.), Die Bildnisse des Augustus. AK München (1978) 95 f. Nr. 10. 6–10. 7; Johansen 1994, Nr. 59. – Zu Umarbeitungen von Kaiserporträts: H. Jucker, JdI 96, 1981, 236 ff.

(NZE)

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