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Athlet Bild2

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Athlet
Kopf, leicht überlebensgroß
Inv.-Nr. Sk 81

Römische Kopie oder Variante des 1. Jh. n. Chr. (?) nach griechischen Vorbildern um 350–340 v. Chr.

Weißer, feinkristalliner Marmor mit vertikalen Sedimentstreifen

H insgesamt 38 cm
Kinn bis Stirnhaaransatz 19 cm
B an Schläfen 16 cm
Distanz äußere Augenwinkel 11,5 cm



Zugang: Erworben 1777 durch Landgraf Friedrich II. von G. Hamilton in Rom


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Erhaltungszustand/Restaurierung: Hals zweistufig geschnitten, r. Schulteransatz erhalten. Halbe Nase ergänzt, Spitze bestoßen. Auf der l. Gesichtsseite vom Stirnhaar bis zur Kinnbacke und auf dem r. Hinterkopf je eine vertikale Sedimentspalte. Frisur korrodiert und bestoßen. Oberfläche insgesamt überarbeitet: Gesicht, Ohren mit Ergänzungen, Lippen und Mundspalte, Kinn abgeplattet (wegen Bestoßung?), Hals geschält (höher anstehende Oberfläche an der Nackenfrisur), dreiteilige Frisur und Haarreifen. Verloren: untere Nasenhälfte, Teile der Ohrmuscheln. Vor 1777 Oberfläche stark geputzt, Schnitte und Abarbeitungen für Montage mit Torso Kat. 3.1 (Cavaceppi 1769, Taf. 43). Restaurierung 1912/13: (Bieber 1915). Restaurierung 1985: Ergänzungen abgenommen, gereinigt, mit Standdübel gesockelt.

Beschreibung: Der Jünglingskopf mit dreiteiliger Kurzhaarfrisur und stämmigem Hals mit Schulteransatz wendet und neigt sich leicht nach links, wie aus der kräftigen Muskulatur des Halses und den Asymmetrien des Gesichtes zu erschließen ist. Die physiognomischen Details des schlanken Gesichtsovals und die einzelnen hochstehenden Lockenbüschel der kappenartigen Frisur haben durch gründliches Putzen und Überarbeiten im 18. Jh. gelitten. Daher bleibt die Formbeschreibung stärker auf die strukturelle Anlage beschränkt. Aus der Stirn sind kurze Locken fassadenartig aufwärts gebürstet. Dahinter folgen voluminösere kurze Sichellocken, die auf den Schläfen und hinter den Ohren bis zum Nacken reichen. Die Kalottenfrisur besteht aus größeren, flach anliegenden Sichel- und S-Locken, die von einem Wirbel ausgehen und in mehreren Gruppen und Schichten eine ›polykletisierende‹ Haarordnung bilden. Am Hinterkopf trennt ein wulstiger Reif das Kalottenhaar vom Nackenhaar. Sein weiterer Verlauf vom Bereich der Ohren zum Oberkopf bzw. an der Grenze zwischen Kalottenfrisur und voluminösen Sichellocken ist unter den Haaren verborgen.

Der Kopf ist der Gattung athletischer Figuren zu zuordnen, die in idealtypischer und leicht überlebensgroßer Erscheinung sowohl mythische wie dynastische Heroen als auch Bildnisse siegreicher Sportler darstellen. Die Körper können nackt oder bekleidet gewesen sein. Die typologische Verwandtschaft mit den Köpfen der sich reinigenden Athleten Typ Ephesischer Schaber Wien, Typ Lysippischer Apoxyomenos Vatikan und weiterer athletischer Statuen des vorgerückten 4. Jhs. v. Chr. hat die Forschung seit langem erkannt (Bieber 1910, Bieber 1915, Linfert 1990). Auffällig ist das kurzlockige hochgestrichene Stirnhaar. In Verbindung mit einer kurzen Sichellockenfrisur oder mit polykletisierend geordneten Haaren auf dem Oberkopf zeigt es an, dass der Athlet nach dem Kampf den schweiß-, staub- und ölverklebten Körper reinigt. Unter anderem gilt die Differenzierung der Haartracht als eine Errungenschaft der spätklassischen Kunst, die nach dem Urteil des Pinius (NH 34, 65: capillum exprimendo) Lysipp meisterlich beherrschte und der traditionellen polykletischen Athletenfrisur hinzufügte. Der von Bieber (1910, 1915) als nächste Parallele bezeichnete Kopf der bronzenen Perseus (?)-Statue von Antikythera trifft zwar die gemeinsame Entstehungszeit um 350–340 v. Chr. In der breiten Stirn- und Wangenform mit kurzlockiger wuscheliger Frisur unterscheidet er sich aber von dem schlankeren Oval und der dreiteiligen Frisur unseres Kopfes deutlich. Der Perseus (?) und ihm verwandte Köpfe werden wegen ihrer ›Katzenförmigkeit‹ dem Bildhauer Skopas und seinem Umkreis oder dem Bildhauer Euphranor zugeschrieben. Das schlankere Gesichtsoval, die stärkere Frisurdifferenzierung und die knapper gerundete Schädelform hat der Kasseler Kopf mit den Lysipp und seinem Umkreis zugewiesenen Werken gemeinsam. Einer genaueren chronologischen und künstlerischen Bestimmung steht der Erhaltungszustand im Wege. Immerhin ist über den Umfang und Zeitpunkt der neuzeitlichen Überarbeitung Klarheit zu gewinnen. M. Bieber vermutete, »die Abplattung des Kinns, die sinnlose Interpolation der Binde, die Haare an dem überarbeiteten Hinterkopfe, der Ansatz des Haares über der Stirn« (Bieber 1915, 23) seien in Paris 1807–1815 vor der Aufstellung vorgenommen worden in Anlehnung an den dortigen Kopf ›Theseus‹ Louvre Inv. Ma 830 aus der Slg. Borghese (zuletzt Linfert 1990). Diese auch in Pariser Quellen nicht zu belegenden Überarbeitungen sind der römischen Bildhauer- und Restaurierungswerkstatt von B. Cavaceppi zuzuschreiben. Die den Pariser Restauratoren angelasteten auffälligen Stirn- und Haupthaare sowie den kurzen unvollständigen Haarreif an dem Kasseler Kopf führt bereits die Beschreibung von Tiedemann (1779) auf, kurz nach dem Erwerb im Frühjahr 1777 in der von Cavaceppi vorgenommenen Restaurierung und Zusammenfügung mit dem Torso Kat. 3.1 in Rom. Der ›Theseus‹-Kopf, aus der Slg. Borghese Rom ins Musée Napoléon gelangt, dürfte bereits in der römischen Sammlung seine ergänzte Kalotte besessen haben und kaum als unrestauriertes Fragment dem Pariser Museum einverleibt worden sein. Die Ähnlichkeit der bildhauerischen Ausführung mit dem von B. Cavaceppi restaurierten und überarbeiteten, aber nicht zugehörigen Kopf des Antretenden Diskobol Frankfurt (Linfert 1990), der sich wie der ›Theseus‹-Kopf und der Kasseler Kopf bis 1777 noch in Rom befand, führt zu dem Schluss, dass die ›polykletisierende‹ dicht anliegende Kalottenfrisur mit Reifsegment, die kurzen Sichellocken und das emporgestrichene Stirnhaar unseres Kopfes keine Pariser Imitation der ›Theseus‹-Frisur sind – hingegen dessen neuzeitliche Kalotte über dem erhaltenen Reifenrest in Anlehnung an den Kasseler Kopf bereits in Rom ergänzt wurde. Trotz restauratorischen Putzens, vereinfachender Verkürzungen beschädigter Sichellocken und zusätzlich schematisch gravierter Lockenrillen hat die dreiteilige Frisurengliederung des Kasseler Kopfes als antik zu gelten. Er könnte als bisher singuläre Kopie einen spätklassischen Athletentypus mit unbekanntem Körper wiedergeben oder einer artifiziellen zitatreichen römischen Neuschöpfung aus dem fortgeschrittenen 1. Jh. n. Chr. verdankt sein.

Publiziert:
M. Bieber, JdI 25, 1910, 159 ff. Abb. 1 a–b. 4 b; Bieber 1915, Nr. 27 Taf. 26; AK Frankfurt 1990, 617-618 Kat. 144 Abb. (A. Linfert). – Im Museum Fridericianum 1777–1912: B. Cavaceppi, Raccolta d’antiche Statue II (1769) Taf. 43; Tiedemann 1779b, 10 Haarformen, Binde. – Im Musée Napoléon 1807–1815: s. hier Kat. 3.1.


Literatur: Zum ›Theseus‹-Kopf Louvre Inv. Ma 830 ex Slg. Borghese: M. Bieber, JdI 25, 1910, 159 ff. Abb. 2; J. Charbonneaux, La Sculpture grecque et romaine au Musée du Louvre (1936) 35 Nr. 830 Abb. – Zum Ephesischen Schaber Wien: AK Frankfurt 1990, 278 f. Abb. 143. 155–157. 615-616 Kat. 142 Abb. (A. Linfert); E. Pochmarski, in: H. Friesinger – F. Krinzinger (Hrsg.), 100 Jahre Österreichische Forschungen in Ephesos. Symposion Wien 1995, 585 ff. bes. Taf. 144, M. Weber a. O. 593 ff. Taf. 146, 3. 4. Kopfrepliken St. Petersburg, Brüssel. – Zum Lysippischen Apoxyomenos Vatikan: K. Schauenburg, AntPl 2, 78 ff. Taf. 63–71; K. Moser von Filseck, Der Apoxyomenos des Lysipp und das Phänomen von Zeit und Raum in der Plastik des 5. und 4. Jhs. v. Chr. (1988); AK Frankfurt 1990, 292 Abb. 175 a. b. (A. Linfert). – Zum Perseus (?) von Antikythera Athen NM 13396: K. Schauenburg, Perseus (1960) 105 f.; P. C. Bol, Die Skulpturen des Schiffsfundes von Antikythera. AM 2. Beih. (1972) 18 ff. Taf. 6–9; Lullies 1979, Taf. 216. 217; AK Frankfurt 1990, 291 Abb. 172 (A. Linfert). – Zum Kopf des Antretenden Diskobols Frankfurt 2608: AK Frankfurt 1990, 603-605 Kat. 128 Abb. (A. Linfert).

(PG)

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