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Athena Typ Giustiniani Bild1

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Athena Typ Giustiniani
Kopf, leicht überlebensgroß
Inv.-Nr. Sk 82

Römische Kopie, um 130–140 n. Chr. nach einem griechischen Original des späten 5. Jhs. v. Chr. Kultbild Athena Pallenis des Bildhauers Lokros von Paros im Tempel Pallene/Athen Agora (?)

Weißer, feinkristalliner Marmor mit schrägen grauen Streifen.

H insgesamt 37 cm
Kinn bis Stirnhaarscheitel 17 cm
B an Schläfen 12,5 cm
B äußerer Augenwinkel (Gesicht und Helm) 19 cm



Zugang: Erworben 1777 von Th. Jenkins bzw. General Johann Ludwig Graf von Wallmoden-Gimborn durch Landgraf Friedrich II. in Rom, s. hier Kat. 1.5.


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Erhaltungszustand/Restaurierung: Unergänzt. Oberfläche des Helmes leicht korrodiert. Auf dem Helmkamm minimal erhabener, abgearbeiteter Steg, davor flache Bohrlochreste. Bestoßen: Widderköpfe auf dem Wangenschutz und der Nasenschutz des Helmes, Frisur. Verloren: Vorderer Teil der Nase, l. Hälfte der Unterlippe und des Kinns, Nacken bis zum Helmrand, Spitzen der Wangenschirme mit Mäulern der Widder, Sphinx als Helmaufsatz? (auf dem Helmkamm). Vor 1777 Oberfläche geputzt, Schnitte und Abarbeitungen für Ergänzungen und Montage mit Torso Kat. 1.5. Restaurierung 1912/13: (Bieber 1915). Restaurierung 1973/75: Marmor- und Gipsergänzungen und Eisendübel entfernt; gereinigt, Dübellöcher vergipst, Standdübel montiert. 1985 mit Standdübel gesockelt.

Beschreibung: Athena hat den korinthischen Helm zurückgeschoben. Eine geringe Linkswendung des Kopfes ist noch dem Halsrest vorn und seitlich abzulesen. Das lange schmale Gesicht mit kräftigen Augenlidern und vollen Lippen des minimal geöffneten Mundes wirkt ernst und nachdenklich. Das gescheitelte Stirnhaar war unter den freiplastischen Spitzen des Wangenschutzes verschattet und tritt erst an den Schläfen unter dem Helmrand heraus. Die lebhaft gewellten Strähnen führen nach hinten unter die Lederkappe im Helm. Seitlich quellen sie unter den schlaufenförmig herausgeschobenen breiten Lederlaschen hervor, die Ohren ganz verhüllend. Breit setzt das Haar im Nacken unter der Lederlasche an mit abwärts gerichteten Lockensträhnen hinter der rechten Halsflanke. Die Wangenschirme schmücken feinreliefierte antithetische Widderköpfe mit geriefeltem Gehörn, Spitzohren und krauslockigem Stirnhaar. Die schwach gewölbten Flächen in den Helmaugen deuten das herabgerutschte Helmfutter an. Auf dem Scheitel des Helmes war vermutlich eine hockende Sphinx angebracht, wie es die Mehrzahl der Kopfwiederholungen zeigt.

Dieser Kopftypus ist in weiteren 13 Kopfrepliken und drei statuarischen Wiederholungen in Rom (Vatikan 2223, Villa Albani/Mus. Torlonia, Variante Kap. Mus. 278) überliefert, denen weitere Torsorepliken anzugliedern sind. Die Haare trägt Athena im Nacken zusammengebunden, die Enden auf dem Rücken zu acht kunstvollen Locken gedreht.

Die Göttin ist mit einem feingefälteten Chiton mit Apoptygma bekleidet, die von Schlangen gesäumte Ägis mit struppigem hässlichen Gorgoneion wird teils von einem Mantel verdeckt, der auf der linken Schulter liegt und um den Unterkörper gezogen ist. An ihrer rechten Spielbeinseite hält Athena mit erhobenem Arm die aufgestellte Lanze, um deren unteres Ende sich die heilige Burgschlange windet. Mit der linken Hand fasst sie locker an den Mantelsaum vor der Brust und wendet sich leicht zur linken Standbeinseite.

Übereinstimmend führt die Forschung die zahlreichen und leicht variierenden Wiederholungen auf eine etwas überlebensgroße, steil aufgerichtete und reich gewandete attische Bronzestatue zurück und sieht aufgrund der ruhigen Haltung und des ernsten sinnenden Ausdrucks im Wesen dieser Athena vor allem die Schirmherrin der Wissenschaft verkörpert. Die stilistische Einordnung des Originales schwankt zwischen 440 und 370 v. Chr. Die Frühdatierung stützt sich auf die großflächigen, glatten Formen und scharfkantig geschnittenen Details des Kasseler Athenagesichtes. Sie stimmen aber nicht mit der weicher fließenden Haarwiedergabe überein und sind der gründlich putzenden Oberflächenreinigung des 18. Jhs. anzulasten. Unrestaurierte Kopfrepliken wie Athen Nat. Mus. 3004 bewahren eine stimmigere Modellierung von Gesicht und Frisur, die originalen Skulpturen und Reliefs der nachparthenonischen Zeit entspricht und die Kopf und Körper der Athena zu größerer Übereinstimmung bringen. Die Athena Typus Giustiniani lässt sich stilgeschichtlich und ikonographisch in ihrer Vereinigung blockhafter Struktur mit zitatreichen, wie malerisch ausgebreiteten Details der attischen Kunst gegen Ende des 5. Jhs. v. Chr. zuweisen. Sie wird nach neuen Forschungen mit dem Kultbild im attischen Pallene identifiziert; dieser Tempel wurde in der frühen römischen Kaiserzeit auf die Athener Agora versetzt und galt bisher als dem Kriegsgott Ares geweiht (Harrison 2005, Korres 1998).

Publiziert:
Bieber 1915, Nr. 12 Taf. 17. 18. – Im Museum Fridericianum 1777–1912 und im Musée Napoléon 1807–1815: s. hier Kat. 1.5.


Literatur: Zum Typus Athena Giustiniani: Lippold 1950, 212 Anm. 15; E. Paribeni, Museo Nazionale Romano, Sculture Greche del V Secolo (1953) Nr. 115; S. Papaspyridi-Karuzu, AEphem 1956, 154 ff.; Helbig I, 4. Auflage (1963) Nr. 449 Statue Vatikan 2223 (W. Fuchs). II (1966) Nr. 1246 Variante Kap. Mus. 278. IV (1972) Nr. 3328 Statue Villa Albani/Mus. Torlonia (H. v. Steuben); H. Marwitz, AntPl 6 (1967) 37; Karouzou 1968, 164 Kopfreplik Athen Nat. Mus. 3004 Taf. 55; E. Mathiopoulos, Zur Typologie der Göttin Athena im 5. Jh. v. Chr. (1968) 164–189; Comstock – Vermeule 1976, Nr. 150 Abb. Kopfreplik; M. Bieber, Ancient Copies (1977) Abb. 554–557; LIMC II (1984) 1086 Nr. 154 s. v. Athena/Minerva (F. Canciani); P. Karanastassis, AM 102, 1987, 427 Kat. B VI 3 Kopfreplik Athen Nat. Mus. 3004 Taf. 53, 1–3; E. R. Knauer in: E. Böhr – W. Martini (Hrsg.), Studien zur Mythologie und Vasenmalerei. FS K. Schauenburg (1988) 121 ff. Lederkappe unter korinthischem Helm; Kopfreplik Rom Mus. Naz. 112. Giuliano 1995, Nr. S 115 Abb. (A. Ambrogi); G. Despinis, AA 1999, 173 ff. Torsoreplik Museum Brauron vom röm. Kultbildersatz für Athena Sounias?; G. Despinis, JdI 116, 2001, 108 Abb. 8–10 Kopfreplik (Frgt.) Athen Akropolismus. 2338, Athena Giustiniani Teil des Athener Marathon-Anathems in Delphi?; Statuettenkopfreplik H 16,5 cm, Bronzereste der Helmbuschbefestigung, Kessel flach reliefiert mit Greifen, Wangenklappen mit Widderköpfen. Kunsthandel Eisenberg SNZ 343, Ausstellung Basel-Messe Oktober 2001 (Kenntnis wird Martha Weber verdankt); F. Ruppenstein in: Th. Ganschow – M. Steinhart (Hrsg.), Otium. FS V. M. Strocka (2005) 442 Anm. 46 umgeschlagene Laschen einer Lederkappe; Ch. Vlassopoulou, AM 120, 2005, 181 f. Taf. 32.3–4 Akr. Mus. 2338 u. 3870; E. B. Harrison, in Periklean Athens and its Legacy. FS J. Pollitt (2005) 119 ff. Abb. 11, 5–10 (Anm. 6 zit. M. Korres 1998).

(PG)

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