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Grabrelief für  Aristodika, Akesidamos und Sotadas  Bild1

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Grabrelief für Aristodika, Akesidamos und Sotadas

Inv.-Nr. Sk 149

Kretisch-attizierend, um 350 v. Chr. Typus Naiskos-Stele.

Weißer, feinkristalliner Marmor, gelbbraun patiniert.

H insgesamt 86,5 cm
B 50 cm
T 10 cm
Bildfeld: H 67 cm
B 38,5 cm
Relieftiefe bis 5,5 cm


Fundort: angeblich Kreta, Südküste

Zugang: Schenkung der Familiengesellschaft Dierichs, Kassel 2007; vormals Leihgabe Inv. ALg 243 seit 1978. (Erworben 1978 im Kunsthandel M. Yeganeh, Frankfurt)


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Erhaltungszustand/Restaurierung: Unergänzt. Mittelakroter gebrochen, kleiner Flicken an der l. Brust der Aristodika. Intakt bis auf kleine Verletzungen an Gesichtern, Körpern und Gewändern der Figuren und am Naiskos besonders die Eckakrotere und Schräggeisa. RS in Rundeisenarbeit grob geschält. Die zum Einsetzen bestimmte, hinten abgeschrägte Bodenleiste steigt an der l. Ecke an, vorn ungeglättet, Seitenränder in Zahneisenarbeit ausgeführt. Die obere Hälfte des Bildfeldes mit den rundplastischeren Köpfen der Erwachsenen ist sorgfältiger gearbeitet. Restaurierung 1978: gereinigt, Aufhängung montiert.

Beschreibung: Die Naiskos-Stele rahmen nach oben sich verjüngende Antenpfeiler. Auf den etwas vorkragenden Antenkapitellen liegt der niedrige Architrav mit den Inschriften ΑΚΕΣΙΔΑΜΟΣ, ΣΩΤΑΔΑΣ, ΑΡΙΣΤΟΔΙΚΑ  und der flache leere Giebel mit Geisa und vereinfachten Palmettenakroteren an den Ecken und auf der Giebelspitze. Unterhalb der schmalen Standfläche ist die Bodenleiste der Stele zum Einsetzen in eine Basis bossiert. Das Reliefbild nimmt eine Dreifigurengruppe ein, die seitlich bis vor die Antenpfeiler reicht. Der vollbärtige ältere Akesidamos tritt von links an die auf einem Diphros sitzende Aristodika heran. Beide reichen sich, einander anschauend, die rechte Hand. Zwischen ihnen steht hinten auf dem Bildgrund in Flachrelief und nur Kopf und Oberkörper zeigend der unbärtige jugendliche Sotadas, in Körperwendung und Kopfhaltung wie Akesidamos den Blickkontakt mit der sitzenden Aristodika aufnehmend. Sotadas ist mit einem die Schultern bedeckenden Mantel bekleidet und greift mit der linken Hand an das Gewand seitlich der entblößten Brust. Akesidamos trägt einen knöchellangen Mantel, der Brust, rechte Schulter und Arm freilässt. Er hat den Mantel unter der Brust umgeschlagen; der dreieckige Überschlag fällt über den Bauch herab. Mit der linken Hand hält er einen Stock, dessen oberes Ende sich mit dem Mantelsaum des Sotadas deckt und dessen unterer Teil verdeckt ist. Obwohl Akesidamos die ganze Höhe des linken Bildfeldes einnimmt und mit dem Scheitel seines dichten, lockigen Haares an den Architrav stößt, ist Aristodika auf der anderen Seite durch Motiv und Größe die Hauptperson. Sie hebt den Kopf mit zeitlos jungem Gesicht leicht empor und blickt die Männer an. Das Haar ist in Wellen von Stirn und Schläfe zurückgestrichen und wird mit einem Band um die Kalotte gehalten. Ihr Oberkörper ist wie bei den männlichen Figuren in Dreiviertelansicht angegeben, der Unterkörper wie bei Akesidamos mehr zur Seite gewendet; die Köpfe der drei Personen erscheinen im Profil. Aristodika ist in einen Chiton mit geknöpften Halbärmeln gekleidet. Ein Himation bedeckt Rücken, linke Seite mit Schulter und Oberarm bis zum Ellenbogen und die Beine bis zu den Füßen. Zusammengeschoben liegt ein Teil des Mantels auf dem Unterkörper und den Oberschenkeln und hängt unter dem aufliegenden linken Unterarm über das Kissen am Stuhl herab. Sie hat die Füße übereinandergeschlagen, nur der rechte Fuß ruht auf einer nur andeutungsweise ausgearbeiteten Fußbank. Sie scheint wie Akesidamos weiche Schuhe zu tragen.

Die flüchtig gravierten Namensbeischriften im dorischen Dialekt auf dem Architrav sind ziemlich mittig den Figurenköpfen zugeordnet. Die in der Erstpublikation vorgeschlagene Datierung in die Mitte des 4. Jhs. v. Chr. ist allgemein akzeptiert (Naumann 1981). Die sorgfältig aufgelisteten ikonographischen und bildhauerischen Besonderheiten ließen sich nach mehrfacher Prüfung mangels Indizien nicht auf eine antike Überarbeitung zurückführen. Die von Naumann erwogene nicht-attische Provenienz der dorischen Familiennamen findet ihre schlüssige Erklärung in der uns nachträglich bekannt gewordenen angeblichen Herkunft des Aristodika-Reliefs aus Kreta (so anschließend verwendet von Clairmont 1993; Bergemann 1997).

Die Dreifiguren-Gruppe hat in der Anordnung und in den Figurentypen ihre nächste Entsprechung in zwei attischen Grabnaiskoi in Athen (Nat. Mus. 729 Phanagora-Stele und 3657 Lysistrate-Stele). Die Übereinstimmungen betreffen im Einzelnen:

– Akesidamos gleicht im Kopftyp, in seiner Haar- und Barttracht, in dem festen, gerundeten Körperbau und der Dreiviertelstellung, in der Haltung und in der Manteltracht bis in den Faltenduktus dem Bärtigen der Phanagora-Stele; in geringfügiger Variation fasst er mit der linken Hand einen Stab statt des Mantelbausches; der Bärtige der Lysistrate-Stele ist stärker in das Profil gedreht und weicht in der Manteldraperie ein wenig ab.
– Sotadas gibt sich in der Kopfhaltung und der angedeuteten Oberkörperhaltung als gleichaltriges männliches Pendant zu der Dienerin (?) mit dem Wickelkind auf der Phanagora-Stele zwischen den Erwachsenen zu erkennen; diese trägt über einem Chiton den Mantel um die Schultern wie Sotadas; die en face Trauernde der Lysistrate-Stele nimmt kompositorisch die gleiche Position an der Naiskos-Rückwand zwischen den Erwachsenen wie ihre Pendants auf den anderen beiden Reliefs ein.
– Aristodika sitzt wie Phanagora und Lysistrate auf einem häuslichen Stuhl mit Kissen und gedrechselten Beinen, den linken Fuß über den rechten auf einem Schemel gekreuzt; barhäuptig wie Lysistrate lehnt Aristodika sich mit dem stärker ins Dreiviertelprofil gedrehten Oberkörper ein wenig weiter zurück; an dem Antenpfeiler nimmt sie zwischen Phanagora – weiter innen – und Lysistrate – weiter außen – eine mittlere Position ein; den Mantel trägt Aristodika auf Schultern, Unterkörper und Beinen wie Phanagora, die ihn allerdings bis auf den Hinterkopf hochgezogen hat; auffällig sind die gemeinsamen Faltenzüge um den Bauch und die herabhängenden Mantelbahnen am Diphros mit gleichen Saumfalten sowie den Bogen- und Zugfalten um die Beine bis zu den Füßen.

Die Unterschiede zwischen dem Aristodika-Relief und den beiden Athener Exemplaren betreffen die motivische Ausgestaltung der Anthemien bzw. des nur umrisshaft angelegten kleinen First-Akroters und die insgesamt bildhauerisch vereinfachende Ausführung des kretischen Exemplars, vergleiche den von dem Mantel nicht bedeckten Teil der linken Hand der Aristodika mit den geschickt verborgenen linken Händen der Athener Reliefs oder die weniger differenzierte Beindarstellung der Aristodika. Die flachere, etwas teigige Formgebung und die geringere Tiefe des Aristodika-Naiskos lassen in Verbindung mit den typologischen und stilistischen Übereinstimmungen nach dem Verhältnis der Reliefs zueinander fragen. Die beiden attischen Reliefs sind einer Werkstatt zuzuordnen und gehören zu den typischen Beispielen der hochentwickelten und marktbeherrschenden Sepulkralkunst Athens in der Spätklassik. Das Aristodika-Relief kann wegen der Gemeinsamkeiten mit den beiden Reliefs nur in Kenntnis derartiger attischer Werke entstanden sein. Seine Beschriftung im dorischen Dialekt, sein angeblicher Fundort Südkreta und seine etwas provinzielle bildhauerische Ausführung können Indizien dafür sein, dass dieses Relief auf Kreta nach einem attischen Muster bzw. einem vorgezeichneten Rohling dieser Dreifigurenrelief-Werkstatt von einem lokalen Bildhauer hergestellt wurde. Denkbar ist auch, dass es ein nach Kreta übergesiedelter Athener dieser Werkstatt fertigte oder dass diese Athener Werkstatt preiswerte Halb- oder Fertigfabrikate nach Kreta verhandelte. Eine detaillierte Untersuchung kretisch-attizierender Werke dieser Zeit steht noch aus.

Die Aristodika-Stele bezeugt die weitreichende und intensive Wirkung dieser attischen Kunstgattung klassischer Zeit, die im bürgerlichen Familienbild der thronenden verstorbenen Frau und Mutter im Kreise ihrer engsten Angehörigen dauerhafte und vorbildliche Denkmale errichtete.

Publiziert:
Slg. Dierichs 1981, Nr. 80 (F. Naumann); Chr. W. Clairmont, Classical Attic Tombstones III (1993) 302 Nr. 3.403 a; J. Bergemann, Demos und Thanatos (1997) 170 Anhang I 1 Nr. 471.


Literatur: Zu Athen Nat. Mus. 3657: Chr. W. Clairmont, Classical Attic Tombstones III (1993) Nr. 3.932. Bildarchiv Photo Marburg 134.890; . Schmaltz – M. Salta, Zur Wiederverwendung attischer Grabreliefs, JdI 118, 2003, 87 Nr. 52 Taf. 18 a–e Mann aus Frauenfigur gearbeitet, mittlere Figur hinzugefügt? – Zu Athen Nat. Mus. 729 / C. 454: Bildarchiv Photo Marburg 134.891. – Zu Grabstelen kretischer Metöken in Athen: AK Berlin 2002, 180 f. Nr. 80 Abb. Sosinos-Stele (A. Scholl). – Allgemein: H. Diepolder, Die attischen Grabreliefs (1931. Nachdruck 1965) 46 Taf. 42, 2; 48 Taf. 44; B. Schmaltz, Griechische Grabreliefs (1983); B. Schmaltz, Untersuchungen zu den attischen Marmorlekythen (1970) 44 ff. Nr. A 175 Taf. 35, 2; Nr. A 221 Taf. 41, 1.

(PG)

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