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Grabstein eines Signifer Bild1

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Grabstein eines Signifer
Fragment
Inv.-Nr. Sk 64

1. Jh. n. Chr.

Kalkstein mit Muscheleinschlüssen.

H 46 cm
B 36 cm
T 13 cm
Relieftiefe bis 4,5 cm



Zugang: Erworben zwischen 1777 und 1782 durch Legationsrat Schmidt v. Rossau für Landgraf Friedrich II.


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Erhaltungszustand/Restaurierung: R. obere Ecke, l. Rand und unterer Teil fehlen. Mehrere Risse, teilweise geschlossen. Oberfläche stark verwittert, schwarze und rötliche Verfärbungen. Im 2. Weltkrieg durch Brandeinwirkung beschädigt. Restaurierung 1985: gereinigt, gefestigt.

Beschreibung: Das Fragment mit grob geglätteter Rückseite enthält Reste von zwei Zeilen einer Inschrift. Infolge der Kriegsschäden sind die Buchstaben der unteren Zeile nur noch mit Hilfe von Vorkriegsaufnahmen zu lesen.

[…]ALIO · VIC[…] | […]ATRI ST[…]

Über der Inschrift befindet sich eine Nische, deren oberer Abschluß sich vorwölbt. Nach den Vorkriegsaufnahmen war er anscheinend halbrund. Die Nische zeigt das frontal ausgerichtete Brustbild eines Mannes. Sein Kopf wendet sich leicht nach rechts. Der Mann ist mit dem römischen Soldatenmantel (sagum) bekleidet, der durch eine Fibel auf seiner rechten Schulter geschlossen ist. Darüber hinaus trägt er anscheinend einen Helm mit Wangenklappen, die unter dem Kinn verbunden sind. Gegen eine Deutung als Bart (Bieber 1915) spricht der klare, relativ hohe Absatz der Relieferhebung zum Gesicht hin. Links hält der Mann einen stabartigen Gegenstand mit scheibenförmigem Aufsatz. Die runde Vertiefung in der Scheibe außerhalb von deren Zentrum ist wohl auf eine spätere Beschädigung zurückzuführen.

Das Fragment eines provinzialrömischen Grabsteins gehört seinem Motiv nach zur Gruppe der Protomenstelen (Noelke 2001). Sie zeigen den Verstorbenen als Maske, Büste oder Halbfigur. Das Bruchstück lässt sich keinem bestimmten Stelentypus zuweisen, da keine Reste von der Rahmung der Büstennische erhalten sind. Unterhalb der figürlichen Darstellung befindet sich gewöhnlich die Grabinschrift, die hier nur in Spuren erhalten ist.

Der Verstorbene gibt sich durch seine Kleidung als Soldat zu erkennen. Bei dem Gegenstand in seiner Linken handelt es sich wahrscheinlich um eine stark vereinfachte und abgekürzte Darstellung eines Feldzeichens (signum), wie sie auf provinzialrömischen Monumenten gelegentlich auftreten kann (Selzer 1988, Nr. 264; Frenz 1992). Normalerweise zeigen Abbildungen das Signum, entsprechend seiner realen Ausführung, mit einer Mehrzahl von Scheiben (Selzer 1988, Nr. 37–38; Boppert 1992). Es kennzeichnet den Soldaten als Feldzeichenträger (signifer). Die signiferi hatten einen höheren Dienstgrad und führten auch die Kasse ihrer Einheit.

Der Fundort der Kasseler Stele ist nicht bekannt. Schmidt v. Rossau kaufte als Agent Friedrichs II. provinzialrömische Antiken zum großen Teil aus Orten an, die auf dem Gebiet der ehemaligen römischen Provinz Germania Superior liegen (Bieber 1915, S. IV). Dies läßt vermuten, dass auch der Grabstein des Signifer aus Obergermanien stammt. Gestein mit vielen Muscheleinschlüssen steht in der Umgebung von Mainz an und wurde dort für die überwiegende Zahl der Soldatengrabsteine verwendet (Boppert 1992, 76).

Die Grabsteine des Rheingebietes mit Darstellungen der Verstorbenen als Büste oder Halbfigur gehen auf Vorbilder aus Oberitalien zurück, wo zahlreiche Legionäre rekrutiert wurden (Gabelmann 1972; Boppert 1992, 34 f. 53). Sie waren im Gebiet der beiden germanischen Provinzen weit verbreitet und sind von augusteischer Zeit an belegt, laufen jedoch schon in der zweiten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. aus (Gabelmann 1972; Boppert 1992, 35; Noelke 2001). Daher wird auch die Grabstele des Kasseler Feldzeichenträgers im Laufe des 1. Jhs. n. Chr. entstanden sein.

Publiziert:
Bieber 1915, Nr. 100 Taf. 36.


Literatur: Zu den Typen der römischen Grabstelen im Rheingebiet: H. Gabelmann, BJb 172, 1972, 65 ff; W. Selzer, Römische Steindenkmäler. Mainz in Römischer Zeit (1988) Nr. 31. 54; W. Boppert, Militärische Grabdenkmäler aus Mainz und Umgebung, CSIR II 5 (1992) 34 f. 53. 76; P. Noelke in: T. Fischer (Hrsg.), Die Römischen Provinzen (2001) 159. – Zu Signiferi: M. Junkelmann, Die Legionen des Augustus (1986) 109 f. 214; DNP 4 (1998) 458 ff. s. v. Feldzeichen (Y. Le Bohec). – Zu ihren provinzialrömischen Darstellungen: Selzer a. O., Nr. 37–38. 264; H. G. Frenz, Bauplastik und Porträts aus Mainz und Umgebung, CSIR II 7 (1992) 59 f. Nr. 5; Boppert a. O. 100 ff. Nr. 7. 8.

(NZE)

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