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Sphinx Typ Mantua-Rom  Bild5

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Sphinx Typ Mantua-Rom
Kopf
Inv.-Nr. Sk 92

Von einem römischen Tischfuß (Trapezophoros), 1. Jh. n. Chr. nach griechischem Vorbild um 450–440 v. Chr. Gegenstück zu Kat. 2.8

Weißgrauer, feinkristalliner Marmor mit fleckig braunen Streifen

H 18,5 cm
H Kopf 18 cm
H Kinn bis Stirnscheitel 14 cm
Distanz äußere Augenwinkel 7 cm



Zugang: Erworben 1777 durch Landgraf Friedrich II. in Italien


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Erhaltungszustand/Restaurierung: Unergänzt. Oberfläche bes. auf l. Kopfhälfte stark verwittert; Risse und Abplatzungen durch Brandhitze. Bestoßen und fleckig durch verbrannten Kleber, Sinterreste. Schopf hinten abgearbeitet, Locken und Frisur darunter summarisch ausgeführt. Bohrlöcher (r. Ohrläppchen, Spirallocken des Schopfes) antik? Verloren: Nase, seitlicher Haarkranz von den Schläfen bis zum Nackenschopf. Vor 1777 Oberfläche geputzt, Schnitte und Abarbeitungen für verdübelte Ergänzungen (Hals, Nase, seitliche Haarkranzteile, Ohren, am Oberkopf für Diadem) und Montage mit Torso Kat. 1.18; Gesicht bes. am r. Auge und Mund überarbeitet, Stirnhaar und Frisur auf r. Kopfhälfte in den Haarfurchen nachgezogen. Restaurierung 1912/13: Marmorergänzungen (Nase, beidseitige Schläfenhaarrolle mit Ohren, Diadem) entfernt. Im 2. Weltkrieg brandgeschädigt. Restaurierung 1985: gereinigt, Standdübel montiert.

Beschreibung: Der frontal ausgerichtete mädchenhafte Kopf mit großflächigem, fast regungslosem Gesicht trägt eine nahezu symmetrisch geordnete Frisur mit frei abstehendem Nackenknoten. Das Haar auf dem Oberkopf ist von einem Mittelscheitel in feinen welligen Strähnen nach vorn und zu den Seiten gelegt. Auf dem Hinterkopf setzt es sich von einem Wirbel ausgehend als eigenes Segment mit gabelförmiger Trennung von dem übrigen Kalottenhaar ab. Die Abgrenzung der Kalottenfrisur zwischen Oberkopf und Hinterkopf betonen je eine dickere, doppelsträhnige Locke, die vom Wirbel seitlich auf beide Ohren zuläuft. Von der Stirn über die Schläfen führen kranzartig zwei breite großwellige Stränge nach hinten und vereinigen sich im eng geschnürten Nackenschopf mit dem nach hinten gekämmten Kalottenhaar. Der Haarkranz bedeckte die Ohren nur zum Teil; die Ohrläppchen liegen frei, durchbohrt für zu applizierenden Schmuck. Die zumeist flach reliefierte Frisur liegt insgesamt dicht an. Der Erhaltungszustand hat unter der Restaurierung, Überarbeitung und Ergänzung im 18. Jh. und durch die Schäden im 2. Weltkrieg beträchtlich gelitten, so dass nur eine pauschale Datierung der Kopie in das 1. Jh. n. Chr. möglich ist. Archäologisch von Belang bleibt die Replik wegen ihrer Maße und antiquarischer Details der Haartracht (vgl. Replik Kat. 2.8).

Der Kopftyp gehört zu einer Sphinx, die in 26 Wiederholungen (13 Figuren, 13 Köpfe) und weiteren Varianten als Tischstütze (Trapezophoros) überliefert ist (zuletzt Bauer 2000). Auf einer Bodenplatte hockt das Fabelwesen mit geflügeltem Löwenkörper und Mädchenkopf. Eine vertikale, runde oder eckige Strebe steigt zwischen den Flügeln im Bereich der Schulterblätter empor und trägt eine Tischplatte (abacus) aus Marmor, Holz u. ä. mehr oder minder dicht über oder nahe dem Sphinxkopf. Die senkrechten Streben sind in der Regel mit der weitgehend freiplastischen Sphinx aus einem Marmorblock gearbeitet, so dass der Nackenschopf mit der Strebe verbunden blieb (s. Abarbeitung am Schopf außen und nur skizzierte, bossierte Haarangabe darunter an Kat. 2.7 und 2.8).

Die seit augusteischer Zeit beliebten Tische mit Sphingenstützen heben sich von den seit dem Hellenismus geläufigen Tischstützen in Gestalt von Greifen und Löwen durch ein zumeist größeres Format, aufwendigere Gestaltung und Typentreue trotz variierender Tischformen ab und sind als Prunktische anzusprechen (Vorster 1993). Die Mehrzahl erhaltener Sphingenköpfe weist eine Kopfhöhe von ca. 17 bis 19 cm, resp. Gesichtshöhe von ca. 13 bis 15 cm auf (Berger 1990). Daraus ist eine Höhe der Figur mit Bodenplatte von ca. 80 bis 100 cm zu erschließen. Runde Tische mit einzelner Sphingenstütze wären demzufolge mit einer Tischplatte von ca. 80 bis 120 cm Dm vorzustellen. Rechteckige Tische mit Seitenwangen werden auf maximale Größen von 180 x 300 cm veranschlagt (Vorster 1993). An Tischen mit Seitenwangen kommen je 2 Sphingenköpfe vor (Berger 1990, Vorster 1993). Die stützenden Sphingen an den Enden der Wangen kehren die Rücken zueinander; ihre Köpfe bilden paarweise Gegenstücke. Unsere beiden Kasseler Exemplare und die beiden in Cambridge könnten Gegenstücke derartiger Sphingenstützen sein (Berger 1990, Nr. 22 und 25, 17 und 18); leider fehlen Fundangaben, s. Kat. 2.8.

Der so verlässlich in Format und Typus seit der augusteischen Zeit über einen längeren Zeitraum kopierte Stützentypus Sphinx Mantua-Rom gab mehrfach Anlass, nach einem berühmten griechischen Vorbild in der allgemein akzeptierten Entstehungszeit um 450 v. Chr. zu forschen. Mit der einleuchtenden These, bereits eine Stützfunktion des oftmals kopierten Vorbildes anzunehmen, wird auf die berühmteste griechische Stützfigur in Gestalt einer hockenden Sphinx, nämlich auf den mittleren Helmbuschträger des Athena Parthenos-Kultbildes von Pheidias verwiesen (Hafner 1975). Dieser überzeugenden Kombination hat die Forschung weitere bekräftigende Argumente der Kopienkritik wie der römischen Rezeptionsgeschichte hinzugefügt (Vorster 1993, Bauer 2000).

Publiziert:
Bieber 1915, Nr. 23; Slg. Ludwig 1990, 95 ff. bes. 109 Nr. 22 Beil. 13, 5. 6 (E. Berger) grundlegend, Replikenliste. – Im Museum Fridericianum 1777–1912 und im Musée Napoléon 1807–1815: s. hier Kat. 1.18.


Literatur: Zum Kopftypus Sphinx Mantua-Rom: Budde – Nicholls 1964, 20 ff. Nr. 40–41 Taf. 10 Replikenliste; E. Berger, AntK 11, 1968, 73 ff. Taf. 22; 124 Nr. 18 Taf. 34–36; C. Landwehr, Die Mantuaner Sphinx (Diss. Freiburg 1969. microfiche 1995); G. Hafner, StädelJb N. F. 5, 1975, 7 ff. Vorbild: Helmsphingen der Athena Parthenos; Vorster 1993, Nr. 63 Abb. 279–282 Typen-Revision, Trapezophoren, Vorbild; LIMC VIII (1997) 1169 Nr. 268 s. v. Sphinx (S. E. Katakis); J. Bauer – W. Geominy (Hrsg.), Gips nicht mehr. AK Bonn (2000), Nr. 65 Anm. 9, (zit. hier Kat. 46 und 47) Zweitverwendungen, Vorbild, weitere Replik (J. Bauer); I. Jucker, Skulpturen der Antikensammlung Ennetwies, MAR 25 (1995) 15 f. Nr. 5 Taf. 7 f.; H. Beck – P. C. Bol – M. Bückling (Hrsg.), Ägypten Griechenland Rom – Abwehr und Berührung. AK Frankfurt (2005) 432 Nr. 9.37 (U. Höckmann) Hockende Sphinx Basel.

(PG)

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